In Stockholm begleiten wir die junge Studentin Sickan auf ihrem Weg ins Erwachsenenleben. Beste Zeiten ist ein atmosphärischer Roman, der weniger über Handlung erzählt, sondern mehr über Stimmung und Gedanken. Genau das hat mich angesprochen, daher wollte ich das Buch nach der Leseprobe unbedingt weiterlesen. Im Laufe der Geschichte wurde es manchmal jedoch etwas zäh.
Kinder sind grausam, sagen Erwachsene gern. Halt durch, brings hinter dich, an der Uni wird alles besser, hieß es im Fernsehen, wenn jemand in der Schule keine Freundinnen hatte. Das missverstandene Kind, das war ein Konzept, an dem ich mich festhielt. Als wäre ich in der falschen Zeit oder am falschen Ort gefangen, nicht falsch als Mensch, und würde eines Tages an einem anderen Ort Gleichgesinnte finden. - S. 80
Die Erzählweise ist ungewohnt, da Zeit und Ort oft sprunghaft wechseln. Das passt zwar zum Gefühl von Orientierungslosigkeit, das Sickan prägt, hat das Lesen für mich aber auch stellenweise mühsam gemacht. Trotzdem mochte ich die selbstreflektierende Art und die vielen kleinen Beobachtungen aus dem Stockholmer Alltag sehr. Besonders die Einblicke in Sprache und Kultur haben mir gut gefallen.
Sickan selbst ist eine interessante, aber auch widersprüchliche Figur. Einerseits kämpft sie mit Ängsten und Unsicherheiten, andererseits stürzt sie sich in Situationen, die nicht ganz zu ihrem sonstigen Verhalten passen. Das machte sie für mich nicht immer greifbar. Auch die Nebenfiguren, vor allem Hanna, hätten für meinen Geschmack etwas mehr Tiefe verdient. Manche Themen wie Familie, Freundschaft und Identität wurden angerissen, aber nicht so konsequent weitergeführt, wie ich es mir gewünscht hätte.
Wenn ich einen kurzen Rock trage, zupfe ich nicht daran herum. Ich ziehe die Schultern nach vorn. Nichts davon ist noch bewusste Entscheidung, es ist längst Automatismus, erlerntes Verhalten. Ich bin nicht mehr zwölf und abstoßend. Ich werde jetzt genauso sexualisiert wie jede andere Frau und bin lange genug auf dieser Welt, um zu wissen, dass ich meine Schritte verlangsamen muss, niemals weglaufen oder mich umsehen darf, egal ob meine Ohren dröhnen und meine Brust zu platzen droht. - S. 70
Trotz dieser Schwächen habe ich das Buch gerne gelesen. Es ist mein erstes von Jenny Mustard und ich möchte unbedingt auch noch Okaye Tage von ihr lesen, da mir ihr Schreibstil dennoch sehr gut gefallen hat. Und auch wenn die Erzählweise sprunghaft war, habe ich das Buch schnell gelesen. Am Ende bleibt ein gemischter Eindruck von der Geschichte zurück, irgendwo zwischen intensiven Momenten und einigen Längen.
Abbe und ich haben uns verbündet, zwei gegen einen, und einander beschützt. Das habe ich bisher für niemanden getan und niemand für mich. Dann kam Abbes Freund dazu und es war drei gegen einen. Drei gegen einen habe ich schon oft erlebt, aber ich war immer die eine, nie die drei. - S. 95
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